Die Brenninkmeijers sind durch ihre Kleiderläden reich geworden. Doch das Portfolio der Familie besteht längst aus viel mehr als Mode.
Dieter Bachmann, Andrea Martel
8 min
In der Nähe des Highway 401, der von Toronto nach Detroit führt und Kanada mit den USA verbindet, entsteht ein Gebäude mit eindrücklichen Dimensionen: ein Gewächshaus so gross wie 33 Fussballfelder.
Darin wird die Firma Ontario Plants Propagation dereinst pro Jahr 34 Millionen Setzlinge für Gemüse- und Beerenzüchter in Nordamerika ziehen. Errichtet wird die Anlage von Dalsem, einem Gewächshauskonstrukteur aus den Niederlanden.
Das Überraschende an den beiden Firmen ist der Besitzer. Sowohl Ontario Plants Propagation als auch Dalsem sind Eigentum der Cofra-Holding. Das ist die Gesellschaft, in der die C&A-Besitzerfamilie Brenninkmeijer ihre Beteiligungen bündelt. Zu diesem Imperium gehört längst viel mehr als Kleiderläden.
Boudewijn Beerkens ist seit 2019 CEO von Cofra. Sein Job ist es, die über mehr als 180 Jahre aufgebauten Vermögenswerte der Familie Brenninkmeijer zu erhalten und zu vermehren. Das Gewächshaus in Kanada gehört zu einem neuen Geschäftsfeld, das Cofra aufbaut.
«Die Klimaerwärmung ist eine Bedrohung für die Nahrungsmittelproduktion», sagt Beerkens bei einem Gespräch in Zürich. Der Niederländer gibt sich überzeugt: «Technologien, die Landwirtschaft in einem kontrollierten Umfeld ermöglichen, sind ein attraktives Investment.» Dadurch könne man auch mit weniger Wasser und Pestizid unter veränderten Bedingungen genügend Nahrung produzieren.
Mettingen – Sneek – Zug
In ihren geschäftlichen Anfängen waren die Vorfahren der heutigen Brenninkmeijers in ländlichen Gegenden unterwegs. Als Tuchhändler zogen sie von Mettingen im heutigen deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen aus und verkauften ihre Ware in Dörfern und auf Bauernhöfen. Noch immer ist Mettingen im Brenninkmeijer-Kosmos ein wichtiger Ort, an dem sich die Familie trifft und ein Museum unterhält.
Ein weiterer wichtiger Ort für die Firmengeschichte ist die niederländische Stadt Sneek. Dort eröffneten Clemens und August Brenninkmeijer 1841 ihr erstes Kleidergeschäft, woraus eine international tätige Kette wurde. Die Initialen ihrer Vornamen tragen die C&A-Läden bis heute.
Oben: Von den Firmengründern Clemens (links) und August Brenninkmeijer sind bis heute die Initialen im C&A-Logo enthalten. – Unten: Der erste C&A-Laden (links) wurde 1841 in der niederländischen Stadt Sneek eröffnet (Aufnahme von 1897).
Die Schaltzentrale für das Brenninkmeijer-Reich liegt aber weder in Deutschland noch in den Niederlanden, sondern in der Schweiz. Bereits zu Beginn der 1920er Jahre gründeten Familienmitglieder im Kanton Glarus – damals eine beliebte Adresse für Briefkastenfirmen – eine Gesellschaft, deren Hauptzweck die steuerlich günstige Verwaltung von Beteiligungen an deutschen und britischen C&A-Firmen war. Hinter dem skurrilen Namen Öl- und Fett-Industrie AG (Oefiag) des Vehikels vermutet der Historiker Mark Spoerer «eine Mischung aus Schalk und Tarnabsicht».1
Heute verwaltet Cofra ihre Beteiligungen von Zug aus. Wie gross das ganze Konstrukt ist, lässt eine der wenigen Zahlen erahnen, die sich Beerkens entlocken lässt: Die von Cofra verwalteten Vermögen (Assets under Management) beziffert er auf über 30 Milliarden Euro.
Der grösste Teil davon (17 Milliarden Euro) entfällt alleine auf die Beteiligungen in der Private-Equity-Gesellschaft Bregal, etwa ein Drittel (9,7 Milliarden Euro) auf die Immobilientochter Redevco. Letztere ist entstanden, als man die Liegenschaften mit den C&A-Läden in eine eigene Firma ausgegliedert hat. Heute umfasst sie jedoch ein Portfolio, das weit über diesen Bestand hinausgeht. Ebenfalls zu Cofra gehört die Tochter Anthos Fund & Asset Management (nicht zu verwechseln mit dem Family-Office Anthos der Brenninkmeijers).
Das Traditionsgeschäft, der Bekleidungshandel, ist also nur noch einer von mehreren Ertragspfeilern. Dennoch stellt Beerkens klar: «C&A ist ein entscheidender Bestandteil der Gruppe und wird es auch bleiben.» Vom Führungsteam, das den Händler nach einer Schwächephase wieder auf Kurs bringen soll, hält er viel. Erst kürzlich hat die Firma nach einer Bereinigung des Filialnetzes angekündigt, wieder hundert neue Läden in Europa zu eröffnen.
Die einst sehr international aufgestellte Kleiderfirma mit Läden in den USA und China ist heute fast nur auf dem alten Kontinent tätig. Einen letzten Rest C&A gibt es sonst nur noch in Lateinamerika. Soeben wurde der Verkauf des Mexiko-Geschäfts abgeschlossen. An C&A Brasilien, einer eigenständigen börsenkotierten Firma, hält Cofra rund 65 Prozent.
Für die Weiterentwicklung des Gebildes und den Aufbau von neuen Schwerpunkten muss innerhalb von Cofra Kapital verschoben werden. Auch das gehört zu Beerkens Aufgaben. Als wäre das alles nicht schon komplex genug, haben die Brenninkmeijers auch noch den Anspruch, «eine Kraft für das Gute zu sein», wie es in den Grundprinzipien der Firma heisst. Und alles «in einer Welt, die alle 30 Sekunden ändert», wie Beerkens sagt.
Bei seinem Wirken muss er sich auf die Vorgaben der Eigentümer abstützen. Das Aktionariat von Cofra bildet der sogenannte Unternehmerkreis, eine Gruppe von fünfzig bis sechzig Familienmitgliedern. Die genaue Anzahl wird nicht bekanntgegeben und schwankt über die Zeit. In Anlehnung an die Anfänge in der Stadt Sneek wird die Gruppe auch «Sneeker kring» genannt; kring ist Niederländisch für Kreis.
Vererbung der Anteile nicht möglich
Aufgenommen werden in den ausgewählten Zirkel der Familienunternehmer kann nur, wer einen Elternteil hat, der ebenfalls Teil des Gremiums war. Aber das allein genügt nicht, denn die Anteile werden nicht vererbt. Wer dazugehören will, muss sich bewerben, bewähren und sich einkaufen. «Das sind nicht einfach ‹nur› Eigentümer», sagt Beerkens, «alle unsere Aktionäre müssen in einem unserer Unternehmen eine Führungsrolle übernehmen.»
Bis in die 1990er Jahre erlaubten die Regeln der streng katholisch geprägten Familie nur männlichen Brenninkmeijers eine Mitgliedschaft in dem Kreis und somit einen Mitbesitz an Cofra. Unterdessen gehören auch Frauen zur Gruppe der Eigentümer, in der bereits Mitglieder aus der sechsten Generation der Familie vertreten sind. Wie viele Frauen mittlerweile dabei sind, bleibt geheim.
Damit sich der Kreis erneuert, wird zudem erwartet, dass Mitglieder ab einem gewissen Alter austreten und jüngeren Brenninkmeijers Platz machen. Als Richtwert für diesen Zeitpunkt gelten 55 Jahre, doch heute seien viele Aktionäre noch weit über dieses Alter hinaus aktiv, sagt Beerkens.
Im Alltag müssen sich die Brenninkmeijer-Familienaktionäre je nachdem einem externen Manager unterordnen, der wie Beerkens im Gegensatz zu ihnen nicht an der Firma beteiligt ist. Gibt das im Alltag keine schwierigen Situationen? «Wir unterscheiden strikt zwischen den beiden Rollen», sagt Beerkens. Es komme auf den Hut an, den man trage: «In einer Sitzung sind Sie mein Kollege – an einem Aktionärstreffen sind Sie der Eigentümer und damit de facto mein Chef.»
Beerkens mag selber nicht an Cofra beteiligt sein, gehört aber zum weiteren Kreis der Brenninkmeijer-Familie. «Das hat mir geholfen, gewisse Dinge zu verstehen», sagt er. Seine Karriere hat er aber weitgehend ausserhalb von Cofra gemacht: unter anderem als Partner bei PwC sowie als Finanzchef bei SHV, einem Mischkonzern der niederländischen Familie Fentener van Vlissingen.
Auf die Frage, was die Eigentümer an Dividende erwarten, meint Beerkens nur knapp: «Die Ausschüttung steht nicht im Vordergrund.» Ein Geschäft in dieser Grössenordnung aufzubauen, benötige sehr hohe (Wieder-)Investitionen.
Ein nicht näher bezifferter Teil der Einnahmen fliesse seit je auch in die Wohltätigkeit. In der Tat ist über die Jahrzehnte ein beeindruckendes Geflecht von Stiftungen entstanden, mit denen die Familie Geld für soziale und ökologische Zwecke sowie katholische Organisationen spendet.
Eingebracht haben sich die Familienaktionäre auch dann, als es darum ging, Cofra neu auszurichten. Der CEO erinnert sich an intensive, «langwierige» Diskussionen und Workshops auch mit Familienmitgliedern für die Suche nach neuen Geschäftsfeldern. Wie profitabel ist es? Wie langfristig? Welchen Nutzen hat es für die Gesellschaft? Ungefähr ein Jahr habe das gedauert. Im Verlauf des Jahres 2019 hatte man dann gemeinsam die Gebiete «Saubere Energie» und «Nachhaltige Ernährung» definiert.
Zweiter Versuch mit Solarenergie
Mit erneuerbaren Energien hatte die Familie bereits Erfahrungen, allerdings gemischte. Sie hatte frühzeitig das Potenzial von Sonnenenergie erkannt, investiert, Geld verdient – und wieder verloren. Als 2011 wegen weltweiter Überkapazitäten die Preise für Solarzellen einbrachen, war auch die Beteiligung der Brenninkmeijers am Hersteller Q-Cells innert kürzester Zeit statt Milliarden nur noch Millionen wert.
Nun versucht es Cofra erneut in der Solarbranche. Die 2021 erworbene Firma Sunrock bezeichnet sich als einen der grössten Investoren, Entwickler und Eigentümer von grossen Photovoltaik-Solardachanlagen in Europa.
«Wir mögen reale Vermögenswerte», begründet Beerkens die Wahl, «und Dinge, die sich skalieren lassen.» Das treffe genauso auf die Investitionen im Ernährungsbereich zu: Gewächshäuser und Pflanzenzucht.
Fleisch aus dem Labor wäre ja eigentlich auch klimaschonende Ernährung. Aber Beerkens winkt ab: «Unzählige Versuche für ein Produkt, von denen dann vielleicht einer oder zwei funktionieren? Das sind nicht wir!» Denn: «Wenn etwas zu volatil ist, passt es nicht zur Kultur der Gruppe.» Lieber sucht sich Cofra Investitionsmöglichkeiten, in denen das Risiko der frühen Entwicklungsstufe bereits eliminiert ist.
Kapitalkräftige Mitinvestoren gesucht
Überhaupt möchte die Holding starke Schwankungen im Geschäft abfedern. Die Verbreiterung der Aktivitäten, die mit der Gründung der Immobiliengesellschaft begonnen hat und mit neuen Geschäftsfeldern fortgesetzt wurde, soll jetzt mit dem Einstieg von externen Investoren eine neue Stufe erreichen.
Vereinzelte Cofra-Investments haben schon familienfremde Geldgeber an Bord. Gesucht ist nun aber eine grössere Anzahl «gleichgesinnter Investoren», wie es Beerkens ausdrückt, die mit den Brenninkmeijers gemeinsam anlegen wollen. Interessenten müssen neben der richtigen Geisteshaltung vor allem genügend Geld mitbringen. Infrage kommen also institutionelle Investoren wie Pensionskassen oder Versicherungen, aber auch Family-Offices oder Investitionsfonds von Universitäten.
Eine Beteiligung an Cofra selber ist weiterhin der Familie Brenninkmeijer vorbehalten. Investieren können Dritte jedoch in den Aufbau der neuen Bereiche Energie und Ernährung, bei Immobilienprojekten von Redevco oder an einem Private-Equity-Fonds von Bregal. Letztgenannte sind schwerpunktmässig in Europa und Nordamerika investiert.
Zu Bregal gehören in der Schweiz etwa die Juwelierketten Embassy und Kirchhofer oder die Firma Kunststoff Schwanden. Die Private-Equity-Gesellschaft investiert in alle möglichen Branchen: Autozulieferer, Software, Logistik, Reiseveranstalter, Restaurants, Kindervelos (Woom), aber auch exotischere Investments wie eine Lachsfarm oder Ausrüstung für die Jagd mit Pfeil und Bogen sind im Portfolio. In der Regel werden die Beteiligungen wie bei Private Equity üblich nach ein paar Jahren verkauft. Erst kürzlich hat Bregal die deutsche Industriefirma EA Elektro Automatik für 1,6 Milliarden Euro in die USA veräussert.
Eine bessere Welt und weniger Risiko
Dass Cofra sich für Gelder von Dritten öffnet, begründet Beerkens mit der grösseren Wirkung: Mit mehr Kapital könne die Holding rascher substanzielle Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit und im Kampf gegen den Klimawandel erreichen, so wie sich das die Brenninkmeijers zum Ziel gesetzt hätten. Auch er selber werde an den erzielten Verbesserungen in diesem Bereich gemessen.
Der Zufluss neuer Mittel sorgt aber auch für eine Reduktion der Risiken in Cofra und hilft bei der Diversifikation des Familienvermögens. Beerkens drückt es mit einem hypothetischen Beispiel folgendermassen aus: «Statt in einem Land sechs Immobilien ganz zu besitzen: Warum sollten wir nicht an zwölf Liegenschaften zur Hälfte beteiligt sein?»
Auf die Frage, bis zu wie viel externes Kapital denn gefragt sei, sagt Beerkens: «Wir hätten keine Schwierigkeiten, die Gruppe in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu verdoppeln.» Das bedeutet: Falls es tatsächlich so weit käme, wären die von Cofra verwalteten Beteiligungen dereinst statt gut 30 Milliarden etwa 60 Milliarden Euro wert – mit dem Unterschied, dass dann rund die Hälfte in den Händen von externen Investoren sein könnte.
Eine solche Transformation würde den Charakter von Cofra verändern, ebenso wie das Selbstverständnis der Familie, die fast zwei Jahrhunderte im engen Kreis für die Bewahrung ihres Wohlstands besorgt war. Möglicherweise ist diese Veränderung ähnlich anspruchsvoll wie die Verbesserung der Welt.
1 Mark Spoerer: C&A – ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien 1911–1961. C.H. Beck, 2016.
Passend zum Artikel
Dieter Bachmann, Andrea Martel
9 min
Dieter Bachmann
6 min
Dieter Bachmann, René Höltschi, Künzelsau
8 min
Christoph Eisenring, Berlin
Dieter Bachmann, Dominik Feldges, Reinach (BL)
9 min
Dieter Bachmann, René Höltschi, Düsseldorf
11 min
Dieter Bachmann
5 min