Warum die C&A-Familie ein Museum im Norden von NRW betreibt - WELT (2024)

Ein Ort, an dem Kunst, Religion und Politik verschmelzen: Die C&A-Familie Brenninkmeijer betreibt im Norden von NRW die Draiflessen-Collection – was verbirgt sich hinter diesem rätselhaften Namen?

Anzeige

Wenn man der Tourismuswerbung des Tecklenburger Landes glauben darf, dann ist die Region zwischen Münster und Osnabrück eine putzige Idylle mit charmanten Fachwerkhäusern, geschichtsträchtigen Dörfern und malerischen Landschaften. Auf dem Weg ins Herz dieser Region, nach Mettingen, kann man solche Postkartenmotive rechts und links von der Bundesstraße tatsächlich sehen. Allerdings führt die Straße auch vorbei an eintönigen Vorgärten und Einkaufszentren, wie sie überall das Bild deutscher Städte bestimmen.

Womit man in der Gemeinde mit ihren rund 12.000 Einwohnern allerdings nicht rechnet, ist eine Architektur mit internationalem Anspruch. Nur wenige Meter entfernt vom historischen Zentrum hat die Draiflessen-Collection ein markantes Gebäude errichtet. Ein hoher geschwungener Korpus aus weiß getünchtem Beton und lang gestreckten Fensterbändern schiebt sich in die Landschaft wie eine versteinerte Amöbe.

Vor zehn Jahren wurde das Gebäude errichtet – und allmählich wird das Museum auch außerhalb des Tecklenburger Landes wahrgenommen. Dazu beigetragen hat das ungewöhnlich vielseitige Programm aus Kunst- und Modeausstellungen, aus regionalen und historischen Schauen wie „Hoffnung“, „Glaube“, „macht heimat!“, „Mythos Chanel“.

Doch wie kommt ein solches Museum nach Mettingen? Und was verbirgt sich hinter dem geheimniskrämerischen Namen Draiflessen? Die Entstehung dieser Einrichtung ist eng mit der Familie Brenninkmeijer verknüpft – den Gründern des Bekleidungshauses C&A. Seit dem 17. Jahrhundert betrieben Generationen von Brenninkmeijers Handel mit Tuch, den sogenannten Töddenhandel. Von Mettingen aus zogen sie durch Deutschland und Nordeuropa, um Geld zu verdienen.

Anzeige

Noch immer mit Mettingen verbunden

1841 kam die große Veränderung: Die Brüder Clemens und August Brenninkmeyer (hier noch in anderer Schreibweise) gaben ihr Vertreterdasein auf und gründeten im niederländischen Sneek das Unternehmen C&A. Damit begann die wechselvolle Erfolgsgeschichte des Unternehmens, das sich auch heute noch in Familienhand befindet.

Mit Mettingen, ihrer Keimzelle, ist die heute 500-köpfige Großfamilie immer noch eng verbunden. Mindestens einmal im Jahr trifft sich der Clan für ein paar Tage dort. Und wer in einer Großfamilie aufgewachsen ist, weiß, dass bei solchen Treffen etwas Abwechslung guttut – und zur Unterstützung harmonischer Familienbande hilfreich sein kann.

Mit Glaubensbekenntnis

Dies ist ein Grund, warum das Gebäude der Draiflessen-Collection errichtet wurde. Es war geplant als Haus der Begegnung und als Archiv der Familienhistorie. Anfangs, berichtet Corinna Otto, Direktorin des Museums, sollten hier kleinere Ausstellungen zu Familie und Unternehmen gezeigt werden. Allerdings entwickelte sich aus dem Familienarchiv recht schnell ein kunst- und kulturhistorisches Museum mit Ambitionen, im nationalen Vergleich Schritt halten zu wollen.

  • Warum die C&A-Familie ein Museum im Norden von NRW betreibt - WELT (2)

    Ressort:Angebote und AktionenANZEIGE

    Immobilie bewerten: Kölner Experten beraten Sie

Seit ein paar Jahren interessiert man sich in der Draiflessen-Collection in erster Linie für die bildende Kunst quer durch die Jahrhunderte mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst – gefolgt von der Historie der Unternehmerfamilie.

Geschichte der C&A-Gründer

Dass die Institution nicht frei von Vorgaben agiert, darauf weist schon der Name Draiflessen. Eine Wortbildung aus „Drai“, was aus der Geheimsprache der westfälischen Wanderkaufleute stammt und so viel wie drei, aber auch Dreifaltigkeit bedeutet, und dem Wort „Flessen“, was übersetzt Flachs heißt und im übertragenen Sinn auch Heimat bedeuten kann. Ein Museum, das auf Begriffen wie „Glaube“ und „Heimat“ fußt, könnte man als überholt und antiquiert bezeichnen. Welche Institution mit überregionalem Anspruch würde sich noch mit einer solch thematischen Engführung belasten?

Warum die C&A-Familie ein Museum im Norden von NRW betreibt - WELT (3)

Die erste Ausstellung 2010 „Credo. Meisterwerke der Glaubenskunst vom 14. bis 18. Jahrhundert“ las sich dann auch wie ein formuliertes Bekenntnis der, so wird es jedenfalls immer beschrieben, bekennenden Katholiken Brenninkmeijer. Es folgten die Schauen „macht heimat“ über niederländische Landschaftsstudien des frühen 18. Jahrhunderts und „Clemens und August“, eine Zusammenstellung über die Geschichte der -Gründer.

Ohne Sentimentalität

Dieses Ausstellungsangebot war für eine breitere Öffentlichkeit nicht gerade attraktiv. Das hat sicher auch Corinna Otto gedacht, als sie 2014 die Stelle als Direktorin der Draiflessen-Collection übernommen hat. Die Kunsthistorikerin war zuvor im Oldenburger Kunstverein mit Ausstellungen zur Avantgardekunst aufgefallen. Unter Ottos Leitung öffnete sich die Draiflessen-Collection nach und nach in die Jetztzeit und befreite sich aus dem heimattümelnden Gewand.

So bat sie den Fotografen Laurenz Berges, den Brenninckhof, den sogenannten Ur-Hof der Familie, zu fotografieren. Und wie bei Berges, Schüler des berühmten Fotografenehepaars Bernd und Hilla Becher, üblich, wurde aus der Dokumentation keine Beweihräucherung des Ortes, sondern ein unsentimentaler Blick auf einen renovierungsbedürftigen Bauernhof.

Glaube, Liebe, Hoffnung

Eine solche avantgardistische Stoßrichtung wäre sicher nicht möglich gewesen ohne die Zustimmung von Martin Rudolf Brenninkmeijer, der sich um die Belange des Museums kümmert. Brenninkmeijer, der zurzeit auch Präsident des Familienunternehmens ist, gilt als Mensch, für den Begriffe wie Freiheit, Würde des Menschen und Toleranz Handlungsmaximen sind. Und er sei interessiert an zeitgenössischer Kunst, berichten Freunde, allerdings sei diese für ihn kein Selbstzweck, sondern ein Weg, seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen.

An diesem Schnittpunkt treffen sich Corinna Otto und Martin Rudolf Brenninkmeijer. Otto beschreibt ihre Vorstellungen mit dem Satz: „Kunst kann etwas für uns tun.“ Sie beobachtet gesellschaftliche Prozesse und entwickelt daraus Ausstellungen. In dem Zyklus „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“ stellte sie Werke von zeitgenössischen Künstlern wie Paul Thek, Anna Oppermann, Louis Soutter und Michael Buthe aus.

Verflechtung von Kunst und Politik

Glaube, Liebe, Hoffnung ist zwar die Trias christlicher Tugenden, aber die Ausstellungen beschränkten sich nicht darauf. In den Katalogtexten richten Otto und Brenninkmeijer ihren Blick auf Philosophie, Naturwissenschaft und andere Religionen. Die Draiflessen-Collection 2020 ist also kein Ort für religiöse Sektierer, aber durchaus ein Ort, an dem diese Themen, die von einer geradezu brennenden Aktualität sind, diskutiert werden.

Corinna Otto webt geschickt an der Ausweitung des Themenspektrums. Wenn im Herbst der Düsseldorfer Künstler Mischa Kuball eine Ausstellung mit dem bekennenden Nationalsozialisten und Avantgardekünstler Emil Nolde vorstellt, dann kann die Draiflessen-Collection ihren Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Verflechtung von Kunst, Politik und Gesellschaft leisten. Damit diese nicht im Elfenbeinturm geführt werden, hat Otto das Museum für eine breite Öffentlichkeit geöffnet. Jedes Jahr kommen rund 100 Schulklassen und mehr als 10.000 Besucher in das Museum. In Mettingen wird die Kunst nicht zum Glaubensbekenntnis.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Warum die C&A-Familie ein Museum im Norden von NRW betreibt - WELT (4)
Warum die C&A-Familie ein Museum im Norden von NRW betreibt - WELT (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Amb. Frankie Simonis

Last Updated:

Views: 6111

Rating: 4.6 / 5 (76 voted)

Reviews: 91% of readers found this page helpful

Author information

Name: Amb. Frankie Simonis

Birthday: 1998-02-19

Address: 64841 Delmar Isle, North Wiley, OR 74073

Phone: +17844167847676

Job: Forward IT Agent

Hobby: LARPing, Kitesurfing, Sewing, Digital arts, Sand art, Gardening, Dance

Introduction: My name is Amb. Frankie Simonis, I am a hilarious, enchanting, energetic, cooperative, innocent, cute, joyous person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.